Oftmals fragen Reisende nach der Altstadt von Interlaken. Hoffentlich fragen sie nie jemanden aus Unterseen (der Lokalpatriotismus ist auf dem Bödeli sehr ausgeprägt).
Etwas versteckt auf der anderen Seite der Aare in Richtung Harder liegt die Altstadt von Unterseen. Im Gegensatz zum berühmten Interlaken ist dieser Ort in der weiten Welt kaum bekannt. Interessanterweise war das Städtchen ab 1750 ein wichtiger Akteur im aufkommenden Tourismus und hatte damals sogar eine größere Bedeutung als Interlaken.
Auch heute noch ist ein Besuch im Stedtli (wie die Einheimischen die Altstadt nennen) unbedingt lohnenswert. Die beeindruckende Reihe von Häusern am Ufer der Aare wird nur vom Kirchturm und Schloss überragt, und das Bergpanorama im Hintergrund ist ebenso atemberaubend. Wer einen Spaziergang in der Umgebung macht, sollte unbedingt auch einen Abstecher in die Altstadt von Unterseen machen.
Was es in der Altstadt zu entdecken gibt
Wer sich mit genügend Uhren eingedeckt hat und dem Trubel auf der Höhematte etwas entfliehen möchte, dem empfehlen wir einen Spaziergang durch die Altstadt von Interlaken, ähm, Unterseen natürlich ;-).
1. Spielmattequartier
Vom Kreisel zwischen Höheweg und Bahnhofstrasse geht es die Marktgasse hinauf, über den Bahnübergang und die Aarebrücke. Die Aare bildet die natürliche Gemeindegrenze zwischen Interlaken und Unterseen.
Nach dem Überqueren der Brücke befindet man sich praktisch auf einer Insel, denn dieser Ortsteil, Spielmatte genannt, wird auf beiden Seiten von der Aare umschlossen. Kein Wunder, dass hier früher Mühlen die Kraft des Wassers nutzten und Industriebetriebe entstanden.
2. Schaalbrücke
Bei der zweiten Schaalbrücke angekommen, bietet sich ein schöner Blick über den Fluss auf den Kern der Altstadt, das Stedtli (schweizerdeutscher Ausdruck für kleine Stadt).
3. Stadthausplatz
Im Städtchen angekommen, erkennt man noch heute, wie die spätmittelalterliche Stadtbefestigung rechteckig angelegt war und auf drei Seiten von Mauern und Gräben geschützt wurde, auf der 4. Seiten natürlich vom Fluss.
Nach einem großen Brand im Jahre 1470 wurde die mittlere Häuserzeile nicht wieder aufgebaut, sondern als Platz mit einem einzigen Gebäude in der Mitte, dem ehemaligen Hotel Stadthaus, freigelassen.
4. Das Stadthaus
Dieses hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und wurde im Laufe der Zeit unter anderem als Kaufhaus, Hotel, Restaurant, Taverne oder auch als Stadt- und Rathaus genutzt und immer wieder renoviert.
Ein Teil diente wohl schon immer als Gasthaus, in dem auch Berühmtheiten wie z.B. Goethe verkehrten. Noch heute befindet sich im Stadthaus ein Restaurant, das derzeit nach einem Konzept des bekannten Schweizer (Fernseh-)Kochs René Schudel betrieben wird.
Daneben gibt es im schmucken Stedtli weitere gemütliche Cafés und Restaurants, welche zum Verweilen einladen.
5. Schloss Unterseen
Vorbei am Stadthaus und entlang der Straße entdeckt man schon bald den Turm des Schlosses Unterseen, das seit 1656 steht. Der berühmte Maler Franz Niklaus König zog 1803 hier ein und fand in der Stadt und ihrem Treiben Inspiration für seine Kunst. 1850, nachdem es als Schule und Fabrik diente, verkaufte der Staat das Schloss an eine Parkettfabrik.
Heute dient es als Kirchgemeindehaus. Hinter dem Schloss lädt ein kleiner Park an der Aare zum Verweilen ein, wo man dem Rauschen des Wassers durch die Schleusen lauschen kann.
6. Kirche
Ein beliebtes Fotomotiv, zurück auf dem Stadthausplatz, ist auch der markante Kirchturm. Die 1471 erbaute Kirche wurde 1841 erweitert, doch nur zehn Jahre später stürzte das Dach unter der Schneelast ein. Der spätgotische Turm blieb verschont und die Kirche wurde an gleicher Stelle wieder aufgebaut.
In der Altstadt von Unterseen befindet sich ausserdem ein kleines Tourismusmuseum zu den Anfängen des Tourismus in Interlaken sowie ein Archäologie Keller.
7. Haberdarre
Vom Stedtli gehen wir ein Stück zurück zur Schaalbrücke und der Aare entlang hinauf zum kleinen Platz Haberdarre (Haber, deutsch für Hafer). Hier trockneten die Bauern früher ihren Getreide Hafer ausserhalb der Stadtmauern, daher der Name.
Die „Haberdarre“ diente als Umschlagplatz am Brienzersee für den Handel zwischen Bern, dem Haslital, über den Brünigpass in die Waldstätte oder über die Grimsel nach Italien.
Im Wissen, dass es hier früher sehr geschäftig zuging, ist es heute ein beschaulicher Platz, wo man auf Bänken unter Bäumen die schöne Aussicht und die Ruhe geniessen kann.
8. Goldey Bridge
Sehr schön finden wir auch den Weg entlang der Aare hinauf. Am Goldeysteg angekommen, geniessen wir von der Brücke noch einmal den Blick zurück auf die malerische Altstadt von Unterseen mit dem mächtigen Gipfel des Niesen im Hintergrund, bevor wir wieder in das bunte Treiben von Interlaken eintauchen.
Die Geschichte von Unterseen und dem Stedtli
Auf der Schwemmebene zwischen Brienzer- und Thunersee, auch Bödeli genannt, entstanden schon relativ früh Siedlungen. Aufgrund der strategisch wichtigen Lage für den Alpenübergang mit den Seen wurde 1279 eine befestigte Siedlung namens Untersewen mit Stadtrecht gegründet.
Die Entwicklung der Stadt wurde jedoch immer wieder durch Streitigkeiten mit dem Kloster Interlaken (das schon viel früher urkundlich erwähnt wurde) behindert. Wie in der Einleitung erwähnt, herrscht auf dem Bödeli (Matten, Interlaken und Unterseen) bis heute ein liebenswerter Konkurrenzkampf zwischen den Gemeinden, der sich wohl aufgrund dieser damaligen Auseinandersetzungen und komplizierten Herrschaftsverhältnisse wie ein roter Faden bis heute durch die Geschichte zieht.
Als wichtiger Umschlagplatz für den Alpentransit erlangte Unterseen damals eine gewisse Bedeutung und es bildete sich der historische Stadtkern direkt an der Aare, den man heute noch besichtigen kann.
Dank der guten Lage und der herrlichen Aussicht auf die Berner Oberländer Berge Eiger, Mönch und Jungfrau entwickelte sich ab 1750 der Tourismus und der Ort wurde von verschiedenen Berühmtheiten aufgesucht: Goethe und der Komponist Felix Mendelssohn waren vom Charme des Ortes beeindruckt und übernachteten in Unterseen.
Mendelssohn hatte eine besondere Vorliebe für die Region und war mehrmals Gast im Rathaus. Hier komponierte er 1831 die Sonette „Die Liebende schreibt“ nach einem Gedicht von Goethe und malte 1847 unter anderem ein Aquarell von Unterseen.